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Muskelaufbau Training



Ist Krafttraining bis zum Muskelversagen im Breitensport sinnvoll?

Ein Training bis zum Muskelversagen, wie es im leistungsorientierten Training Anwendung findet, ist für viele fitness- und gesundheitsorientierte Breitensportler interessant, da sie sich von dieser Trainingsform ein ausgeprägtes Muskelwachstum und somit stärkere Trainingseffekte versprechen. Ob es sinnvoll ist, sich beim eher gesundheitsorientierten Fitnesstraining in der Freizeit an einem höchst spezialisierten Trainingsprinzip zu orientieren, das von Hochleistungssportlern angewendet wird, soll hier kritisch hinterfragt werden.



Sinn oder Unsinn?

Macht es Sinn beim Krafttraining jeden Satz bis zum Muskelversagen auszuführen, so wie dies von Befürwortern eines Trainings bis zum Muskelversagen propagiert wird? Geben wir diese Frage leicht verändert zurück: Macht es Sinn, beim Schwimmtraining so lange zu schwimmen, bis Sie sich nicht mehr über Wasser halten können und ertrinken? Macht es Sinn, beim Lauftraining so lange zu laufen, bis Sie keinen einzigen Schritt mehr bewältigen können und zusammenbrechen? Zugegeben, diese Beispiele haben relativ wenig mit Kraftraining zu tun, aber Sie sollten für dieses Thema sensibilisiert werden. In keiner anderen Sportart oder Sportdisziplin wird bis zur kompletten energetischen Ausbelastung der Muskulatur trainiert. Erstaunlicherweise werden auch in anderen Kraftsportarten (Olympisches Gewichtheben, Powerlifting, Wurf- oder Stoßdisziplinen der Leichtathletik u.a.) enorme Muskelmassen entwickelt, ohne dass dort bis zum absoluten Muskelversagen trainiert wird.



Muskelversagen, was ist das eigentlich?

Bevor wir weiter über die Trainingspraktik des Trainings bis zum Muskelversagen diskutieren, sollten wir zunächst einmal den Begriff Muskelversagen klären. Als Muskelversagen können folgende Faktoren angesehen werden:

● das konzentrische Muskelversagen, d.h. das Gewicht kann nicht mehr positiv-dynamisch bewegt werden
● das statische Muskelversagen, d.h. das Gewicht kann nicht mehr statisch gehalten werden
● das exzentrische Muskelversagen, d.h. der Gewichtsbelastung kann auch nicht mehr negativ-dynamisch entgegengewirkt werden
● die Unfähigkeit, noch eine Wiederholung mit korrekter Technik durchzuführen
● die Unfähigkeit, das gewünschte Tempo der Bewegung beizubehalten

Die im leistungsorientierten Krafttraining gebräuchlichste Methodik ist das Training bis zum konzentrischen Muskelversagen. Ergänzt wird diese Vorgehensweise üblicherweise durch weitere erzwungene Wiederholungen, d.h. nach dem konzentrischen Muskelversagen unterstützt ein Partner die konzentrische Bewegungsphase, so dass hier noch ein paar Wiederholungen mehr durchgeführt werden können. Diesen letzten Wiederholungen wird im leistungsorientierten Fitnesstraining oftmals die entscheidende Stimulans der Muskulatur zum Dickenwachstum zugeschrieben. Im weiteren Verlauf wird, wenn die Rede vom Training bis zum Muskelversagen ist, das konzentrische Muskelversagen gemeint sein, da dies die am häufigsten durchgeführte Praktik im leistungsorientierten Krafttraining ist.



Wirkungen eines Trainings bis zum Muskelversagen

Ist ein Training bis zum konzentrischen Muskelversagen der entscheidende Reiz zum Muskelwachstum? Nein! Nach neuestem Stand der Sportwissenschaft ist ein Training bis zum Muskelversagen nicht notwendig, um die Effekte eines Muskeldickenwachstums auszulösen. Ursachen für eine solche Muskelhypertrophie werden zwar immer noch wissenschaftlich kontrovers diskutiert, jedoch haben sich zwei Faktoren als sehr wahrscheinlich herauskristallisiert. Die mechanische Belastung der Muskelfasern führt zu minimalen Schäden in den Muskelfeinstrukturen (Mikrotraumata). Es kommt zu einer lokalen Freisetzung von Wachstumsfaktoren, die Reparationsprozesse in der Muskelzelle einleiten. Zusammen mit den Stoffwechselendprodukten, die sich bei einer sehr starken Belastung der Muskelzelle anreichern (z.B. Laktat), führen diese mechanischen Reize im Training zu den erwünschten Muskelaufbauvorgängen. Zum optimalen Muskelwachstum müssen dementsprechend optimale Reize gesetzt werden. Bei einem Training bis zum Muskelversagen werden jedoch zu starke mechanische Reize gesetzt. Die Folgen sind oftmals weiterreichende Mikrotraumata in der Zellstruktur der Muskelfaser. Es kommt zu Einrissen im Bereich der Z-Streifen (diese grenzen die kleinste kontraktile Einheit der Muskelfaser, das sog. Sarkomer, ein). In Folge dessen kommt es zu einer lokalen Entzündungsreaktion mit Ödembildung (Wasseransammlung in der Zelle). Diese Ödembildung führt zusammen mit der Entzündungsreaktion zu Schmerzen und zu reflektorischen Hemmungen in der Muskulatur.



Muskelkater verlangsamt Regeneration der Muskeln

Diese Mechanismen sind auch als Muskelkater bekannt. Nun werden einige von Ihnen sagen: Gut so! Nur ein Training mit anschließendem Muskelkater war ein effektives Training für Muskelaufbau! Auch dieser Aussage kann man so nicht unkommentiert stehen lassen. Muskelkater und optimale mechanische Beanspruchung des Muskels sind nicht identisch. Beim Muskelkater handelt es sich ganz klar um eine Überbelastung der Muskulatur. Diese Überbelastung hat bisweilen Folgen, die nicht förderlich für optimalen Muskelaufbau sind. Zunächst werden die Regenerationszeiten unnötig verlängert, d.h. der Zeitraum bis zum Setzen des nächsten Trainingsreizes verlängert sich. Studien haben ergeben, dass die auf einen überschwelligen Trainingsreiz einsetzende erhöhte Proteinsynthese (also die Phase, in der effektiv Muskulatur aufgebaut wird) bereits nach 48 Stunden durchschnittlich wieder auf dem Ausgangsniveau angelangt ist. Effektiv wäre es, bereits hier den nächsten Reiz auf die Muskulatur zu setzen. Ein Training bis zum Muskelversagen und ein dadurch ausgelöster Muskelkater verzögern hier die Regenerationszeiten vor allem des Nervensystems unnötig lange. Regeneration der aktiven und passiven Strukturen des Bewegungssystems und Regeneration des Nervensystems sollten jedoch generell konform gehen.

Ein weiteres Gegenargument gegen den im leistungsorientierten Fitnesstraining viel gepriesenen Muskelkater ist die Tatsache, dass Muskelkater zu einer minimalen Insulinresistenz der Muskelzellen führen kann. Je stärker und häufiger der Muskelkater, desto ausgeprägter ist die nachfolgende Insulinresistenz. So konnte bei Untersuchungen festgestellt werden, dass bei Versuchspersonen, die ein Training absolvierten, welches bewusst einen Muskelkater auslöste, noch 24 Stunden nach der Belastung, der Blutzuckerspiegel nach der Einnahme von Kohlehydraten statistisch signifikanter anstieg, als vor dem Training. D.h. die Glykogeneinlagerung in die trainierte Muskulatur war durch das Training beeinträchtigt. Was passiert nun mit den verzehrten Kohlehydraten, wenn diese nicht in die Muskeln aufgenommen werden? Kohlenhydrate, die nicht als Glykogen gespeichert werden, werden entweder oxidiert (verbrannt) oder als Fett gespeichert. Damit ist das Horrorszenario für den ambitionierten Bodybuilder perfekt: Die trainierten Muskeln, die die Kohlenhydrate am nötigsten zur Regeneration brauchen, können diese aufgrund der Insulinresistenz der Zelle nicht (oder nur eingeschränkt) aufnehmen. Stattdessen steigt das Risiko, vermehrt Körperfett anzulagern. Die Insulinresistenz führt aber auch dazu, dass Proteine nur unzureichend in die Zelle eingeschleust werden. Auch hier spielt Insulin den Transporteur. Das bedeutet, dass auch die erhofften anabolen Prozesse durch permanentes Training bis zum Muskelversagen bzw. durch Muskelkater gestört werden können.

Viele Studien haben weiterhin gezeigt, dass Muskelhypertrophie durch Gewichtsbelastungen mit hohem Volumen (Anzahl der Sätze multipliziert mit der Anzahl der Wiederholungen) gefördert werden kann. Wird jeder Satz bis zur kompletten Muskelerschöpfung ausgeführt, so muss zwangsläufig das Gewicht von Satz zu Satz abnehmen, so dass letztendlich das Trainingsvolumen reduziert wird, was wiederum die Muskelhypertrophie beeinträchtigt.



Fazit: Nicht unbedingt!

Eines sollte klar sein. Ein effektives Krafttraining zum optimalen Muskelaufbau muss einfach mit einer entsprechenden Intensität durchgeführt werden, d.h. die Reize auf die Muskulatur müssen optimal überschwellig sein. Zu stark überschwellige Reize, wie Sie ein Training bis zum Muskelversagen in der Regel auslöst, können jedoch zu Zellschädigungen führen, die für das erklärte Ziel, den optimalen Muskelaufbau, kontraproduktiv sind. Machen Sie sich jetzt keine Sorgen, dass Sie als Weichei dastehen, nur weil Sie nicht in jedem Satz bis zum Muskelversagen trainieren. Ziel eines leistungsorientierten Fitnesstrainierenden ist der optimale Muskelaufbau. Dazu muss nicht unbedingt jeder Satz und jedes Training bis zum Muskelversagen durchgeführt werden.

Ein Training bis zum Muskelversagen ist eine von vielen unterschiedlichen Praktiken bzw. Methoden des Krafttrainings. Keine dieser Methoden sollte permanent angewendet werden. Je nach Trainingsziel und Leistungsstand kann diese Methodik natürlich auch durchaus sinnvoll, im Sinne einer Reizvielfalt sein. Eine fortwährende Anwendung erscheint jedoch aus den oben genannten Gründen wenig sinnvoll. Denken Sie daran: Letztendlich ist nicht nur die Qualität des Einzelreizes für die Effektivität des Trainings entscheidend, sondern vielmehr auch die Quantität bzw. die Summe der einzelnen Reize. Es gibt im Hochleistungssport kaum Sportler, die in jeder Trainingseinheit bis zum absoluten Muskelversagen gehen. Nur im leistungsambitionierten Krafttraining ist dies erstaunlicherweise immer noch üblich.


(Quelle: BSA-Akademie, www.bsa-akademie.de)


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